Inhaltsverzeichnis und Dateien zu Dokumentenverarbeitung

Vorwort

Dokumentenverarbeitung, oder etwas profaner Textverarbeitung, ist bei weitem die häufigste Anwendung von PC's und Arbeitsplatzrechnern. Im kommerziellen Bereich wird der gesamte Briefverkehr mit Hilfe von Textverarbeitungssystemen abgewickelt. Personalisierte Massendrucksachen werden als Serienbriefe auf ihnen erstellt. Firmeninterne Notizen werden teilweise schon aus dem Textverarbeitungssystem heraus elektronisch an ihre Adressaten geschickt. Wissenschaftliches Publizieren stellt sich mehr und mehr auf rechnerunterstützte Arbeitsweise um. Die verwendeten Systeme übernehmen halbautomatisch die Erstellung von Bibliographien, indem sie auf bibliographische Datenbanken zugreifen. Sie produzieren Glossare, wandeln Querverweise auf Kapitel, Abschnitte oder Tabellen in Seitennummern um und halten sie bei Änderungen konsistent. Auch im persönlichen Bereich tritt der Wordprozessor immer mehr an die Stelle der Schreibmaschine und sogar der Handschrift. Man mag bedauern, daß man in ferner Zukunft nicht mehr die handschriftlichen Äußerungen unserer geistigen Größen bewundern können wird. Hier sei nur festgestellt, was offenkundig ist.

Angesichts dieser Beobachtung ist es überraschend, daß, anders als in England oder Frankreich, wenige Informatikfachbereiche in Deutschland eine Lehrveranstaltung zum Thema Dokumentenverarbeitung in ihrem Curriculum haben. Über die Gründe kann man spekulieren. Zum einem könnte es sein, daß das Gebiet als zu profan gilt. Wie kann ein Gebiet interessant sein, wenn jeder Laie eines der aus diesem Gebiet stammenden Systeme bedienen kann. Wäre dem so, so steckte dahinter natürlich der Irrglaube, daß eine Technik, die jeder bedienen kann, für den Fachmann uninteressant sein muß.

Zum zweiten könnte es sein, daß die Allgegenwärtigkeit von Textverarbeitungssystemen den Eindruck hervorruft, daß dieses Gebiet uninteressant wäre, weil es keine offenen Probleme mehr gibt; ``es klappt ja offensichtlich alles''. Dabei werden allerdings einige neuere Entwicklungen übersehen, wie etwa im Bereich strukturierter Dokumente. Da Informatiker diese teilweise verschlafen haben, haben anders vorgebildete Leute, etwa Juristen, diese Entwicklungen initiiert, was man den Ergebnissen dann auch ansieht.

Eine für die Zunft der Informatiker weniger abträgliche Interpretation ist die folgende: Die meisten Gebiete der praktischen Informatik beschäftigen sich mit einer relativ kleinen, abgeschlossenen Menge von Konzepten und das meist auf einer ziemlich homogenen theoretischen Grundlage. Der Übersetzerbauer beschäftigt sich mit Programmiersprachen, deren Semantik und Typsystemen und mit den Widrigkeiten der neuesten Errungenschaften der Rechnerarchitekten. Seine theoretischen Grundlagen stammen meist aus der Theorie der formalen Sprachen und der Automaten. Dazu braucht er noch einige Kenntnisse von Datenstrukturen und effizienten Algorithmen.

Der Betriebssystemspezialist kennt Konzepte wie Prozeß, Nebenläufigkeit, Kommunikation und Synchronisation, Virtualisierung von Betriebsmitteln, Scheduling usw. Seine theoretischen Grundlagen sind ein bißchen Warteschlangentheorie und Konzepte wie Lebendigkeit und Fairness.

Das Gebiet der Dokumentenverarbeitung ist dagegen ein Querschnittsgebiet. Es borgt seine Techniken und seine Grundlagen aus sehr vielen Gebieten der Informatik. Das muß aber kein Nachteil sein; wir meinen, es bietet Vorteile, wie sie kaum ein anderes Gebiet der praktischen Informatik anzubieten hat.

Im Gebiet Dokumentenverarbeitung lassen sich zumindest die folgenden Informatikinhalte vermitteln:

Deshalb denken wir, daß Lehrveranstaltungen im Bereich Dokumentenverarbeitung die Chance bieten, Studenten eine Menge wichtiger Informatikkonzepte zu vermitteln, da dieses Gebiet wie kaum ein anderes die Ergebnisse vieler anderer Gebiete der Informatik integriert. Wir haben in diesem Buch zweierlei versucht. Erstens haben wir die wichtigsten Grundlagen der Dokumentenverarbeitung dargestellt, da dieses Gebiet an sich hoch relevant ist. Zweitens möchten wir den oben geschilderten Anspruch teilweise realisieren. Dazu haben wir jeweils bei der Darstellung eines Konzepts der Dokumentenverarbeitung die Informatikinhalte vertiefend dargestellt. Im Inhaltsverzeichnis sind die Abschnittsüberschriften dieser Teile jeweils kursiv gesetzt.

Das Buch richtet sich an Studenten der Informatik und Studenten von Studiengängen, die sich im weiteren Sinne mit computerunterstütztem Publizieren befassen. Aus den oben genannten Gründen eignet es sich in besonderer Weise für Studenten der Informatik im Nebenfach, welche in einer Lehrveranstaltung bzw. beim Lesen eines Buches einige wichtige Konzepte, Methoden und Verfahren der Informatik kennenlernen wollen.

Wir möchten dem Verlag Addison-Wesley Deutschland und dort insbesondere den Herren Dr. Hundt und Pereira dafür danken, daß sie dieses etwas ungewöhnliche Buchprojekt mit uns realisiert haben, sowie Frau Daenecke für die Betreuung während der Fertigstellung des Buches. Herrn Stephan Diehl danken wir dafür, daß er das Manuskript gelesen und wertvolle Verbesserungsvorschläge gemacht hat, und Herrn Peter Bouillon für einige Tips im Umgang mit TeX.

Saarbrücken, im August 1996 Reinhard Wilhelm, Reinhold Heckmann



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